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Es duftet wieder nach frischem Brot und Kirschstreusel

Brotmarkt zum Erntedankfest musste ersatzlos ausfallen – dennoch bringen sich die Backgemeinschaften in Erinnerung

Die Bürger honorieren das ehrenamtliche Engagement mit vielen Vorbestellungen.

Bad Berleburg / Wunderthausen. (vö) In diesem Jahr funktioniert fast alles nur im Konjunktiv. Am Sonntag hätten gerne viele Tausend Besucher die prächtigen Erntewagen auf der Bad Berleburger Poststraße bewundert, wären mit Interesse durch die Geschäfte des Einzelhandels gebummelt und hätten sich natürlich mindestens ein frisches Brot oder leckere Schmalzdongen auf dem Marktplatz mitgenommen. Doch wo kein Brotmarkt (und Erntedankfest) stattfinden kann, gibt es natürlich auch keine Backhausbrote. Die Großveranstaltung wurde angesichts der Corona-Pandemie völlig zurecht schon frühzeitig abgesagt.

Dennoch nutzten zumindest zwei Backgemeinschaften im Berleburger Stadtgebiet den Feiertag am Samstag und den Sonntag darauf, um sich nachhaltig in Erinnerung zu bringen. Oder, wie es Heiner Trapp, 1. Vorsitzender des Verkehrs- und Heimatvereins Bad Berleburg, formulierte, „um ein Lebenszeichen zu senden und zu zeigen, dass wir noch da sind“.

„Wenn wir an diesem Wochenende gar nichts gemacht hätten, wären die Mitglieder ein bisschen rebellisch geworden.“
Heiner Trapp, Verkehrs- und Heimatverein

An der Espequelle wurde am Freitag der Sauerteig angesetzt, und das Backhaus wurde vorgeheizt, um am Samstag auf vollen Touren zu produzieren. Die Helfer hatten um Vorbestellungen für Brote gebeten, damit man unter dem Strich besser planen konnte. Dirk Weber aus dem Helfer-Team: „60 Vorbestellungen hatten wir, damit lässt sich gut kalkulieren.“ Abgerundet wurde das Angebot durch die leckeren Hefezöpfe, die immer viele Abnehmer finden. Heiner Trapp gab Einblick in ein Vereinsleben, das aufgrund der Pandemie zwangsläufig fast auf Null zurückgefahren werden musste: „Wenn wir an diesem Wochenende gar nichts gemacht hätten, wären die Mitglieder ein bisschen rebellisch geworden – und das kann ich gut verstehen.“

Das Team der Backgemeinschaft Wunderthausen um Carsten Bernhardt (r.) arbeitete auf engem Raum mit Mund-Nasen-Schutz. (SZ-Foto: Martin Völkel)Spätestens mit der Vorstellung des Backhaus-Buches von Hans-Armin Kohlberger an der Espequelle habe der Gedanke Fahrt aufgenommen, am Tag der Deutschen Einheit das Backhaus anzuheizen. Natürlich war es dennoch anders als in „normalen“ Zeiten. Die Helfer gingen auf Distanz, der Verkauf des Brotes in der Hütte ging Corona-konform über die Bühne. Und der gemütliche Teil im Anschluss an die Arbeit, der im ehrenamtlichen Bereich eigentlich immer dazu gehört, musste ausfallen.

Doch Heiner Trapp ist nicht der Typ, der den Kopf in den Sand steckt: „Entscheidend ist doch, dass wir alle gesund bleiben. Glücklicherweise gehören wir nicht zu den Vereinen, die einen großen Kostenapparat bedienen müssen, deshalb werden wir die Krise überstehen.“ Klar sei natürlich, dass man in diesem Jahr auf andere Zahlen als im Vorjahr komme. 2019 sei an der Espequelle eine Tonne Mehl verbacken worden. In diesem Jahr sei es ein Bruchteil dessen.

Eine ähnliche Idee wie in Bad Berleburg, nämlich das erste Oktober-Wochenende nicht ohne einen Back-Einsatz verstreichen lassen zu wollen, verfolgte wenige Kilometer weiter auch die Backgemeinschaft Wunderthausen. Dort produzierten der örtliche Chef-Bäcker Carsten Bernhardt und seine Mannschaft 200 ausgesprochen leckere Brote, Pflaumenkuchen und Kirschstreusel.

Belohnt wurden die Wunderthäuser mit einem enormen Absatz und einem außergewöhnlichen Sonnenaufgang in seltenen Farben am frühen Samstagmorgen. Seit 4.30 Uhr wurde im Backhaus gearbeitet, den Sauerteig hatten die Helfer bereits am Freitag vorbereitet. Carsten Bernhardt: „Wir haben uns angeschaut, was in der momentanen Situation erlaubt ist und was wir verantworten können. Ich denke, für alle ist das ein schöner Tag.“

Natürlich habe die Backgemeinschaft die große Hoffnung, im kommenden Jahr wieder beim Brotmarkt in Bad Berleburg mitmachen zu dürfen. In diesem Jahr geht eben alles eine oder mehrere Nummern kleiner. Dennoch wurde am Nachmittag eine Wandergruppe des örtlichen Ski-Klubs am Backhaus erwartet, die zuvor den Geschichts- und Kulturpfad unter die Füße genommen hatte.

Zum Glück spielte das Wetter mit, die Sitzgelegenheiten wurden draußen aufgebaut, das bot genügend Abstand. Alles im Rahmen dessen, was in diesem Jahr geht.

Von Martin Völkel

Siegener Zeitung
Samstag, 5. Oktober 2020
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